Myosential Yoga

Katrin Roschangar
  • 01.01.24

Myofascial Release in Yoga

Mon 01.01.24

myosential® Yoga Methode von Katrin Roschangar

In myosential® Yoga geht es um die Myofascia, die sich um den Muskel herumziehenden Faszien. Faszien sind das kollagenhaltige Bindegewebe, die jeden Muskel, jede Sehne, jedes Band, jedes Organ und jeden Knochen umschließen. Faszien durchlaufen unseren Körper, verbinden alles miteinander und geben unserem Körper Spannung und Halt. Es handelt sich um ein wichtiges Organ, ohne das wir heute nicht die Menschen mit unserer aufrechten Haltung wären.

Von der Forschung lange nicht beachtet, werden die Faszien mittlerweile als das sechste Sinnesorgan bezeichnet, da sich viele Rezeptoren im Bindegewebe befinden, die einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben. Die Rezeptoren geben allerlei Informationen an unser zentrales Nervensystem weiter, wie z.B. Schmerz bei Verletzungen und Entzündungen, aber auch Wohlbehagen bei Streicheleinheiten.

Für unser generelles Wohlbefinden ist es wichtig, unseren Körper und damit auch unsere Faszien mit Bewegung und Dehnung in einem vitalen und ausbalancierten Zustand zu halten. Spannungen, die wir naturgemäß tagtäglich durch emotionalen, psychischen und physischen Stress in unserem Körper aufbauen, können wir mit Sport oder einer regelmäßigen Yogapraxis abbauen. Wenn sich jedoch Spannungen manifestieren, entstehen „Verklebungen“. Die gleitende Eigenschaft der mehrlagigen Faszien geht verloren, was mitunter zu Schmerzen führt. In myosential® Yoga wollen wir diese Verspannungen lösen.

Was ist myosential® Yoga?

myosential® ist ein Kunstwort und setzt sich aus myofascial und essential zusammen. In dieser Form von Yoga bildet also die Arbeit mit den Myofascia die Grundlage.

Maßgeblich für die Entwicklung von myosential® Yoga ist meine Ausbildung zur Myofascial Bodyworkerin. Gelernt habe ich diese Arbeit bei einem der führenden Faszien-Experten Tom Myers in Maine/USA. Zudem gehörte James Earls, Autor des Buchs Born to Walk, zu meinen Lehrern.

Aufgrund der herausragenden Arbeit von Tom Myers wissen wir heute, dass es bestimmte Muskel- und Faszienverkettungen gibt, die sich durch den gesamten Körper ziehen und dass diese Verläufe Zugspannungen bilden. Ein Beispiel für einen solchen Verlauf wäre die oberflächliche Rückenlinie: Ein Zug, der sich über die Fußsohle, die Rückseite der Beine, den Rücken über den Kopf bis hin zur Stirn spannt. Wenn man beispielsweise Spannungen im unteren Rücken lösen möchte, sollte man die anderen Teile des Körpers mit einbeziehen, die zu dieser Linie gehören. Dieses Wissen nutze ich als Grundlage für den strukturellen Aufbau einer myosential® Yoga-Einheit.

Ablauf einer myosential® Yoga-Einheit

Selbstverständlich habe ich als Myofascial Bodyworkerin ebenfalls gelernt, an welchen Stellen sich Verspannungen befinden können und mit welchen Griffen und Techniken ich diese auflösen kann.

Dieses Wissen habe ich bei myosential® Yoga auf eine Form der Selbstmassage übertragen, die mit Faszienrollen und kleinen Faszienbällen ausgeführt wird. Einerseits werden mit den Faszienrollen größere Muskelpartien wie z.B. der Musculus Quadriceps femoris (die Vorderseite des Oberschenkels) großzügig ausgerollt. Andererseits wird der kleine Faszienball punktuell eingesetzt wie zum Beispiel beim Musculus Trapezius, ein oftmals verspannter Nacken- und Rückenmuskel. Durch den Ball wird Druck in das Gewebe erzeugt, so als ob ein Masseur seinen Finger wieder und wieder in den Muskel hineinschiebt. Nach dieser Übung kann man spüren, wie die Spannungen in dem Bereich nachgelassen haben und das Schulterblatt entspannt und mit viel Schwere zurücksinken kann.

An dieser Stelle kommen wir zum Yogateil der Methode. Nachdem wir bestimmte Partien des Körpers mit den Props bearbeitet haben, nehmen wir eine dazu passende Yogaposition ein. Durch die Faszienmassage gewinnt das Bindegewebe an Länge und Entspannung, wodurch die Asanas eine tiefer greifende Wirkung haben. Anders als im Vinyasa Flow halten wir die Positionen in myosential® Yoga länger. Wir geben dem Bindegewebe die Möglichkeit, sich in der Yogaposition in eine bestimmte Richtung auszurichten und dort seine maximale Länge zu erreichen.

Die Myofascia eines untrainierten Körpers haben eine chaotische Struktur. In einem trainierten Körper hingegen hat das Bindegewebe Struktur, ist vital, und seine kollagenhaltigen Stränge können je nach Bedarf die Richtung ändern und sich neu verbinden.

Wirkung

Die Wirkung aus der Kombination von Faszienmassage und Yoga ist beeindruckend. Sogenannte „Verklebungen“ bzw. Spannungen in den Faszien können gelöst werden, und das Flüssigkeitssystem in unserem Körper wird in Gang gebracht. Das Bindegewebe bekommt durch dieses Training Länge, Ausrichtung und eine gleitende Qualität. Man kann mit mehr Bodenhaftung stehen, der Atem geht leichter, und die Körperausrichtung verbessert sich. Verbrauchte Flüssigkeit, die auch entzündliche Botenstoffe enthält, kann schneller über das Lymph- und venöse Drainagesystem abtransportiert werden. Frische, nährstoffreiche Flüssigkeit kann nachkommen, und die in uns schlummernden Selbstheilungskräfte werden in Gang gesetzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fühlen sich nach myosential® Yoga regeneriert und ausgeruht, ihr Wohlbefinden ist auf körperlicher und geistiger Ebene gestiegen.

Diese Einheit kann auch nach einem langen Arbeitstag, nach anstrengendem Sport oder bei Muskelkater ausgeführt werden. myosential® Yoga hilft in der Verletzungsprävention, indem es das Körperbewusstsein erhöht und den Körper geschmeidig hält.

Auch nach Verletzungen kann es einen positiven Effekt auf den Heilungsprozess haben. Bei Schädigungen wird der lädierte Körperteil oftmals weniger bewegt oder kommt ganz zum Stillstand. Dadurch lässt die Gleitfähigkeit in den Myofascia nach, und Steifheit tritt ein. Nach der Freigabe durch die Ärztin/den Arzt, dass sanfter Sport wieder aufgenommen werden darf, kann um die verletze Stelle herum gearbeitet werden. Das umliegende Gewebe wird bewegt, durchblutet, und Flüssigkeiten werden ausgetauscht. Das gesunde Gewebe gewinnt an Vitalität und kann das verletzte Gewebe positiv beeinflussen.

Kontraindikation

Neben unseren Myofascia gibt es auch andere Systeme in unserem Körper wie z.B. das Gefäßsystem, zu denen die Arterien, Venen und Lymphen gehören. In der klassischen Massage werden die Arme und Beine von unten nach oben massiert, sodass die Streichbewegung mit Richtung der Venenklappen verläuft. In myosential® Yoga bewegen wir uns über die Faszienrollen allerdings in beide Richtungen, nach oben und nach unten. Daher wird Personen mit Gefäßerkrankungen wie z.B. Krampfadern, sicherheitshalber geraten, vorher ihre Ärztin/ihren Arzt zu konsultieren.

Während der Schwangerschaft und Stillzeit verändert sich das Bindegewebe: Es wird weicher, dehnbarer und verliert an Spannkraft. Eine schwangere Frau, die von Natur aus ein weiches Gewebe hat, sollte daher vor myosential® Yoga eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen. Da manche Übungen in der Bauch- oder Rückenlage ausgeführt werden, ist eine Teilnahme ab einem gewissen Zeitpunkt nur eingeschränkt möglich.

In jedem Fall ist es wichtig, immer auf den eigenen Körper und unterschiedliche Schmerzempfindungen zu hören: es gibt einen „guten“ Schmerz, das sogenannte „Wohlweh“, der Verspannungen löst und zu einer Erleichterung führt.

Schmerzen, die z.B. durch eingeklemmte Nerven oder das Aneinanderreiben von Knochen entstehen, sollen hingegen vermieden werden, da sie eine entzündliche Wirkung haben. Stattdessen soll unserem Körper innerer Raum gegeben werden, um den Druck zu beseitigen, der durch eine Fehlhaltung entsteht und die Ursache der Inflammation ist.

Selbstheilungskräfte

Mein Lehrer Tom Myers nannte die myofasziale Körperarbeit auch „spacial medicine“. Ein Begriff, der meiner Meinung nach die Wirkungsweise gut zusammen fasst und erklärt, wie die Selbstheilungskräfte im Körper in Gang gesetzt werden.

Nicht zuletzt werden in myosential® Yoga durch die Aktivierung des Lymphsystems die entzündlichen Botenstoffe abtransportiert, und es findet eine Entgiftung statt. Um diesen Prozess zu unterstützen, sollte man nach myosential® Yoga viel trinken.

Im Abschluss jeder myosential® Yoga-Einheit bringen wir alle Informationen, die der Körper während der Klasse erhalten hat, zu unserem zentralen Nervensystem, der Wirbelsäule. Dabei wird der Parasympathikus angesprochen, das vegetative Nervengeflecht, das für Ruhe und Regeneration verantwortlich ist. Hierbei ist spürbar, wie sich die Organe entspannen und schwer in den Bauchraum zurücksinken können. Man fühlt, wie jegliche muskuläre Spannung abgegeben wird und die Schwerkraft auf den Körper wirkt. Das ist der Moment, bei dem der Kopf komplett abschalten kann und eine tiefgreifende Erholung für Körper und Geist geschieht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen in einen tiefen Zustand der Entspannung.

Teilnahmevoraussetzungen

Für eine Teilnahme sind keine speziellen Voraussetzungen notwendig. Sowohl Yoga Anfänger*innen als auch Fortgeschrittene profitieren von dieser Klasse. Einsteiger*innen haben ausreichend Zeit, die Asanas einzunehmen und ein Gespür für die Positionen zu entwickeln. Das Verständnis für den Nutzen der Übung vergrößert sich. Fortgeschrittene profitieren von dieser Einheit genauso, weil sie ihre Technik verfeinern und gegebenenfalls korrigieren können.

Props

Als Utensilien verwende ich ausschließlich Faszienrollen und kleine Faszienbälle bzw. Tennisbälle. So können die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer die spannungslösenden Übungen auch zuhause ausführen.